
Interview mit Simone Natrup von ASSMANN Büromöbel über Verhaltensregeln im Open Space
Im Interview mit Jens Kollmar hat uns Simone Natrup, Leiterin Workplace Consulting von unserem langjährigen Partner ASSMANN Büromöbel GmbH & Co. KG mit Sitz in Melle alle Fragen rund ums Thema „Neue Arbeitswelt – neue Regeln?“ beantwortet.
Ihr habt für Eure Mitarbeiter in Eurem firmeninternen Open Space Büro „neue“ Regeln aufgestellt. Wie kam es dazu?
Da muss ich erst mal ein bisschen weiter ausholen, wie es überhaupt zu unserer heutigen Bürogestaltung kam: Unser geplanter Neubau hatte sich verzögert, er kam im August 2018 sogar zu einem vollständigen Stillstand.
Diese Zeit haben wir produktiv genutzt, um ganz neue Ansätze für vorhandene Probleme zu finden: die Verwaltung war nicht mehr zeitgemäß, Medientechnik nicht ausreichend nutzbar, es gab lange Wege und manchmal auch schlechte Kommunikation. Die Zusammenarbeit insgesamt hat sich einfach verändert und das Umfeld musste den heutigen Aufgaben angepasst werden.
Mit einem besonderen Workshop, basierend auf der japanischen „Kaizen“ Philosophie und der 5S-Methode, haben wir sondiert: was bleibt, was kann weg, was muss neu dazu, was muss ganz anders gemacht werden und wie können wir das langfristig erhalten und weiterentwickeln.
Als dann noch Corona kam war sowieso klar, dass sich im Bereich Büroplanung generell ein Wandel ankündigt. Das war wie ein Turbo für Veränderungen und Digitalisierung und wir haben das als positive Effekte gesehen.
Wir haben durch Corona die Erfahrung gemacht, dass überwiegend standardisierte Aufgaben sehr gut mobil bearbeitet werden können und die Unternehmensentscheidung getroffen, unseren Mitarbeitenden 2 Tage mobiles Arbeiten pro Woche anzubieten. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass wir recht schnell die neue Post-Corona Art der Arbeit entwickeln und erarbeiten mussten.
Da wir eigene Produkte sowieso intern einsetzen und diese kontinuierlich weiterentwickeln, wie beispielsweise unser Smart Office, war der Schritt in die Richtung New Work ja schon gemacht.
Es war dann noch notwendig herauszufinden, wie wir für unser Unternehmen Open Space bestmöglich umsetzen können und wie wir unsere Mitarbeiter bei dieser großen Veränderung mit ins Boot holen. Denn diese Veränderung hat ja bedeutet, dass keiner mehr seinen eigenen, festen Arbeitsplatz hat.
Wichtig ist bei dem ganzen Prozess aber auch der andauernde Lerneffekt und die kontinuierliche Weiterentwicklung, die wir im Unternehmen auch immer noch umsetzen.
Was genau habt Ihr im Rahmen der Neuplanung geändert?
So vieles! Die bisherigen Office Flächen wurden entkernt, saniert, standardisiert und digitalisiert. Die Büroflächen sind viel großzügiger gestaltet, es gibt weniger Zwischenwände und Türen, Einzelbüros sind weggefallen. Da es nun aber große, offene Räume sind, mussten wir also besonders auf die Raumakustik achten und auch visuelle Störfaktoren bei der Planung im Blick behalten.
Stellen Sie es sich beispielhaft, wie eine Stadtplanung vor: wenn es auf dem Reißbrett designt wurde und die Straßen immer gerade durchgehen, von rechts nach links, von oben nach unten, dann pfeift der Wind da ganz schön durch! Es muss also auch Ecken und Winkel geben und Begrünung – all das sorgt in der Stadt für ein besseres Klima und das ist eben im Büro nichts anderes.
Mehr freie Fläche bedeutet auch mehr Lautstärke. Ein Beispiel: offene Lounge- Bereiche sind nicht immer optimal, hier brauch es auch geschlossene Lösungen, um wirklich einen Rückzugsort mit Ruhe und Privatsphäre zu ermöglichen.
Wieso braucht es überhaupt „neue“ Regeln für die Zusammenarbeit?
Man kann neue Probleme nicht immer mit alten Regeln lösen, weil sich ja auch die Büroarbeit und das Miteinander verändert hat: die Tür zu machen geht einfach nicht mehr. Das muss jetzt anders gemacht werden, durch speziell dafür vorhandene Rückzugsräume zum Beispiel.
Respekt, Ruhe und Rücksichtnahme sind noch wichtiger geworden in den neuen Open Spaces: durch verschiedene Signale können unsere Mitarbeiter anzeigen, dass sie nicht gestört werden wollen.
Wir arbeiten nicht mehr mit den gängigen, einseitigen Headsets, sondern haben alle diese Mickey Mouse Kopfhörer. Damit hört man seinen Gesprächspartner besser bzw. störungsfreier und spricht selbst auch leiser. Für längere Gespräche muss sich dann aber jeder einzelne an einen entsprechenden Rückzugsort begeben.
Die Tische, überhaupt alle benutzten Bereiche, müssen immer aufgeräumt hinterlassen werden, weil ja am nächsten Tag ein neuer Kollege an diesem Platz sitzen kann. Zentrale Müllstationen helfen bei der Entsorgung. Privaten Stauraum gibt es in Locker-Schränken und die Garderobe ist an einer zentralen Stelle.
Weil nun aber auch nicht mehr jeder einen eigenen Arbeitsplatz nach Lust und Laune dekorieren kann, sorgen wir für diverse Dekoration als Wohlfühlfaktor im gesamten Büro. Wir haben alles offen, hell und freundlich gestaltet, mit Farben und verschiedenen Designlinien in unterschiedliche Themenbereiche gegliedert. So findet jeder einen Themenbereich, der persönlich als besonders ansprechend und angenehm wahrgenommen wird.
Also beschäftigen sich Eure Regeln besonders mit den drei R‘s: Ruhe, Respekt, Rücksichtnahme?
In gewissem Sinne ja. Wir haben es etwas anders formuliert, aber in drei wichtigen Leitsätzen zusammengefasst:
In der Ruhe liegt die Kraft – Nehmt Rücksicht aufeinander!
Konzentriertes Arbeiten ist in einer insgesamt ruhigen Umgebung für alle einfacher. Für Meetings und Telefonate werden die Mitarbeiter gebeten sich entsprechend zurückzuziehen.
Ordnung ist das halbe Leben – Sorgt für Ordnung und Sauberkeit am Arbeitsplatz!
Ordnung und Sauberkeit sind auf Grund der Flexibilität und des ständigen Wechselns noch wichtiger geworden – sollten ja aber eigentlich ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein. Der Clean Desk ist also eine notwendige Maßnahme.
Sprecht Probleme offen an!
Respekt ist der Schlüssel des Ganzen – und reden macht ja bekanntlich frei. Ein offenes, aber wertschätzendes Wort ist immer noch die schnellste und sicherste Art, Probleme aus dem Weg zu räumen und Konflikte zu vermeiden.
Wann wurden die Regeln entwickelt?
Nun ja, eigentlich vom ersten Tag an! Wir treffen uns in einer internen Gruppe noch immer alle zwei Wochen, sprechen über Umbauten, Feel-Good Ansätze, diskutieren „Spielregeln“ und Bedarf wie z.B. Technik.
Wenn uns noch weitere Verbesserungen einfallen oder durch die Mitarbeiter zugetragen werden, die sinnvoll für das Miteinander sind, dann werden wir Änderungen im Interesse der konfliktfreien Zusammenarbeit entsprechend umsetzen.
Inwiefern hat das neue Regelwerk die Arbeitsqualität verbessert?
Zunächst hat die neue Bürogestaltung die Zusammenarbeit verbessert, das Feedback unserer Mitarbeiter bestätigt das auch. Die Veränderungen haben geholfen, sich auf wirklich Notwendiges zu reduzieren, das bedeutet weniger Chaos und aufräumen, wichtige Dinge haben einfach Ihren festen Platz.
Viele Kollegen finden es abwechslungsreich, weil man dank Arbeitsplatzbuchung auch mal mit den Kollegen aus anderen Abteilungen zusammenkommt, und dies wiederum ein besseres persönliches Kennenlernen ermöglicht. Die Flexibilität durch die Einbindung von Home-Office ist gestiegen und man findet auch oft spontan noch einen Platz.
Die Regeln sorgen für weniger Diskussionen, weil die Vorgaben für alle klar sind. Außerdem sind sie ja eigentlich allgemeingültig für einen respektvollen Umgang miteinander – wir mussten nur einige Verhaltensweisen nochmals deutlich und eindeutig formulieren, da sich durch den Wegfall der ursprünglichen, als privat wahrgenommenen, Bereiche doch einiges geändert hat. Aber das hat sich inzwischen gut eingespielt und wir lernen trotzdem alle dauernd dazu.
Was würdet Ihr anderen Unternehmen empfehlen, die sich für Open Space interessieren und dafür entscheiden?
Gehen Sie im Detail die möglichen Arbeitsabläufe in den Räumlichkeiten durch – spielen Sie „Was Wäre Wenn“ und das so oft es geht! Wenn Ihnen im Büroalltag etwas auffällt, was im neuen Konzept problematisch sein könnte, nehmen Sie es gleich in die Planung mit auf und motivieren Sie Ihre Mitarbeiter dasselbe zu tun!
Ohne klare Regeln funktioniert keine Zusammenarbeit dauerhaft gut. Integrieren Sie die Mitarbeiter aber in der Entwicklung des Büroknigge: nehmen Sie anfängliche Sorgen oder Vorbehalte ernst und zeigen Sie, dass Sie solche Entwicklungsschritte in die Entscheidungen mit einbeziehen. Dann sind bei der Umsetzung alle zufriedener und auch langfristig bereit an weiteren Veränderungen gemeinsam und im Interesse der gesamten Belegschaft zu arbeiten.
Gibt es eine Lösung für alle?
Nein, bestimmt nicht. Wir sind alle verschieden und jedes Unternehmen ist so individuell wie seine Mitarbeiter. Es gibt also keine Blaupause, kein Konstrukt, das für alle Firmen gleich gut ist.
Wenn man jedoch allgemeine Formulierungen für respektvollen Umgang zu Grunde legt, hat man eigentlich schon die besten Voraussetzungen, um einen bürointernen Verhaltenskodex schriftlich zu fixieren.
Dann sollte aber jedes Unternehmen für sich herausfinden, welche Signale, Symbole oder ähnliches man verwendet, um anzuzeigen, dass man Ruhe braucht oder verfügbar ist etc.
Es ist auch wichtig zu verstehen, dass dies ein dauerhafter Prozess ist, der sich immer weiterentwickelt. Langfristig gilt: zufriedene Mitarbeiter sind das beste Aushängeschild – für Kunden, Lieferanten, Bewerber. New Work richtig zu integrieren schafft, bei richtiger Umsetzung, dafür beste Voraussetzungen und ebnet den Weg für eine flexible und innovative Arbeitswelt.
Vielen Dank für das informative Gespräch, Simone!